Beginnen muss ich mit einem Geständnis: Ich bin Fotograf, weil ich nicht besonders gut zeichnen kann. Meine Zeichen-Skills beschränken sich auf einfache Eulen.
Ich habe es immer wieder versucht, bin dann aber über Grafik- und Webdesign in der Fotografie gelandet. Und das ist bis jetzt meine liebste Kunstform. Der Kamera-Computer in meiner Hand ermöglicht mir Portraits aufzunehmen, die ich mit einem Stift nicht einmal im Ansatz hinbekommen würde. Durch die Lektüre von Ed Emberleys Buch „Make a World“ und die dauerhafte Benutzung meines Grafiktabletts als Maus-Ersatz bin ich inzwischen zwar etwas souveräner mit dem Stift, zeichnen kann ich aber immer noch nicht.
Dennoch denke ich, dass auch wir Fotografen ein paar Skills haben, von denen ihr ZeichnerInnen profitieren könnt.
Licht, Licht und nochmals Licht
Photographie ist griechisch und heißt so viel wie „mit Licht malen“. Und das tun wir tagtäglich. Im Gegensatz zum Zeichnen wo hauptsächlich mit Dunkelheit gearbeitet wird. Da gibt es sogar Fachbegriffe für: Zeichnen benutzt das subtraktive Farbmodell, die Fotografie das additive.
Mir geht es aber mehr darum wie Fotografen Licht einsetzen. Ist das Licht hart oder weich? Von wo kommt es? Wie viele Lichtquellen gibt es? Wird es reflektiert? Was wird durch das Licht betont? Gibt es viel oder wenig Licht? Welche Farbe hat das Licht? All diese Fragen sind extrem wichtig für den Look und die Aussage eines Fotos. Durch die Verwendung von Blitzen, Dauerlicht, Reflektoren, Lichtformern oder schlicht und einfach dem Tageslicht haben wir die Möglichkeit ein Bild so aussehen zu lassen, wie wir möchten. Das sind unsere Pinsel und Stifte.
Beispiel gefällig?
Schaut euch hier Hakuna Matata aus der gezeichneten 1994er Version von König der Löwen an.
Die Charaktere wirken ziemlich platt, auch wenn die Schatten unter den Tieren ziemlich gut gemacht sind. Eine Abwechslung beim Licht kommt als Spotlight von oben auf Pumba (bei 1:16 min).
In der 3D-Version, die dieses Jahr veröffentlicht wurde wirkt alles viel realistischer und lebendiger. Das liegt unter anderem auch am Licht, das wunderbar im Fell glänzt und die ganzen Details hervorbringt. Auch die Schatten, zum Beispiel im Gras, sind viel komplexer. In diesem Video erklärt der Regisseur Jon Favreau die Intention hinter dem Licht.
Ob man das Licht in der neuen Version nun gut findet oder nicht – wichtig ist, dass es teilweise komplett anders aussieht als in der gezeichneten Version.
Was könnt ihr jetzt also daraus mitnehmen? Licht und Schatten sind neben Farbe und Komposition wohl die wichtigsten Aspekte überzeugender und glaubwürdiger Bilder. So wie wir Fotografen uns Rembrandt angucken, um gute Lichtsetzung zu lernen, könnt ihr euch auch gute Fotos z.B. von Annie Leibovitz, Chris Knight, Anton Corbijn oder Richard Avedon angucken.
Und nein, es geht mir nicht um Fotorealismus, sondern darum, dass ein paar gute Schatten auch einen Comicstrip verbessern können.
Komposition
Auch wenn das Thema Komposition im Ganzen zu komplex für diesen kurzen Artikel ist – wichtig ist es dennoch. Guckt euch für eure Zeichnungen als Inspiration Fotos an. Eure Zeichnungen können nur davon profitieren Bilder als Ganzes zu betrachten und den Rahmen oder den Rand des Papiers in die Komposition mit einzubeziehen. Gut darin sind zum Beispiel auch Comic-Zeichner. Was meine ich also mit Komposition? Im Grunde sind es nur zwei Fragen: „Was nehme ich in mein Bild auf, um meine Geschichte zu erzählen?“ und „Wo packe ich es hin, damit es seinen Beitrag zum Bild bestmöglich liefert?“.
Folgende Dinge tragen auch noch zur Komposition bei und können von dir entscheidend beeinflusst werden:
- Position und Blickwinkel des Betrachters (Augenhöhe, von oben, von unten, Fluchtpunkt)
- Farben (gibt es ein Farbkonzept? Z.B. knallig, gedeckt, starker oder geringer Kontrast)
- Weißraum (Wie viel Luft gibt es um ein Objekt)
- Hintergrund (Was ist zu sehen?)
Der große Vorteil beim Zeichnen und Malen ist, dass man sich eine Welt komplett erschaffen kann. Wir Fotografen sind immer auf das angewiesen, was da ist, um es abzubilden.
Schärfentiefe
In der Fotografie gibt es einige alte Weisheiten. Viele davon sind heute mit der Digitalfotografie nicht mehr aktuell, wie zum Beispiel „Sonne lacht – Blende 8“. Andere gelten aber noch immer. Meine Lieblingsweisheit ist „Vordergrund macht Bild gesund“. Im folgenden Bild kann man das gut erkennen. Durch die Person links im Vordergrund fühlt sich als Betrachter als Teil des Publikums bei diesem Konzert.
Durch eine bessere Staffelung von Vordergrund, Motiv und Hintergrund ergibt sich ein stärkerer Eindruck von Tiefe. Der Betrachter kann sich besser auf das Motiv konzentrieren, wenn der Kontrast in der Schärfe zwischen den drei Ebenen möglichst groß ist. Die geringe Schärfentiefe ist also nicht nur ein netter Effekt, der gute und teure Objektive auszeichnet, sondern auch ein wichtiges Stilmittel für die Gestaltung.
Bildbearbeitung
Photoshop und andere Bildbearbeitungsprogramme sind auch für ZeichnerInnen ein großartiges Werkzeug. Mit ihnen lassen sich Texturen erstellen, Scans bereinigen oder direkt Bilder malen. Aber die gleichen mächtigen Werkzeuge, die in bei der Beauty-Retusche eingesetzt werden um Körperteile zu verändern können genauso gut für Zeichnungen benutzt werden. Zum Beispiel um Proportionen nachträglich zu verändern. Die Rede ist hier vom Verflüssigen-Filter in Photoshop. Andere Apps bieten ähnliche Möglichkeiten, Photoshop ist aber noch immer Marktführer.
Zusätzlich können die Möglichkeiten von Lightroom, einer abgespeckten und auf die Bearbeitung vieler Bilder in kurzer Zeit ausgelegten Photoshop-Version weiterhelfen. Zum Beispiel können Farbbearbeitungen gespeichert werden und dabei helfen einen konsistenten Look für Social Networks zu erschaffen.
Für das Bild mit der Eule oben habe ich zum Beispiel ein Negativ von einem abgelaufenen Film eingescannt, die Farben in Photoshop noch ein wenig angepasst. und dann die gescannte Eule darübergelegt.
Probiere es einfach mal aus!